Jan Matzoll (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In dieser Aktuellen Stunde beschäftigen wir uns neben der allgemeinen wirtschaftlichen Lage auch mit dem akut geplanten Stellenabbau bei Ford in Köln. Die ankündigte Streichung von 2.900 Stellen, vor allem nebenan in Köln, ist nicht nur ein Schock für die Beschäftigten und ihre Familien, sondern auch ein weiterer klarer Hinweis an uns alle, die herausfordernde Transformation der Automobilbranche entschlossen anzugehen.
Ford ist eines der traditionsreichsten Unternehmen in Köln und hat über Jahrzehnte zur wirtschaftlichen Stärke des Industriestandorts Köln und zur Stärke der gesamten Automotive-Branche in Nordrhein-Westfalen beigetragen. Doch die aktuellen Entwicklungen zeigen, dass selbst große Marken in Schwierigkeiten geraten, wenn sie zentrale Marktrends nicht rechtzeitig erkennen oder bewusst ignorieren.
Ford hat bei der Elektrifizierung große Investitionen angekündigt, nämlich 2 Milliarden Euro für die Produktion neuer E-Modelle in Köln. Trotzdem zeigt sich, dass die Strategie, auf große und teure Elektro-SUVs zu setzen, die Marktrealität verkennt. Gerade in Europa dominiert weiterhin die Nachfrage nach erschwinglichen, kleinen Mittelklassefahrzeugen, die Ford aus dem Sortiment gestrichen hat.
Während Ford also den Fiesta gestrichen hat, gingen die Verkaufszahlen der vergleichbaren Modelle der Wettbewerber nach oben: Dacia Sandero plus 17,2 %, Renault Clio plus 14,6 %, VW Polo immerhin plus 4,3 %, Škoda Fabia plus 22,5 % und Citroën C3 sogar plus 52,8 %. Das sind ganz klare Indizien dafür, dass Ford eine unternehmerische Fehlentscheidung getroffen hat, die die Beschäftigten jetzt ausbaden sollen. Statt auf den Fiesta baut Ford jetzt auf Modelle, die weder die nötigen Absatzzahlen liefern noch den Klimazielen gerecht werden.
Ford und, ehrlich gesagt, auch Volkswagen haben sich davon blenden lassen, dass technologische Innovationen, in diesem Fall die Elektromobilität, immer auch zahlungskräftige sogenannte Early Adopters anziehen – die für die Etablierung einer neuen Technologie und für den Durchbruch auf dem Massenmarkt natürlich elementar sind; gar keine Frage.
Doch diese Phase haben wir bei der Elektromobilität längst überschritten. Jetzt geht es darum, ganz gezielt auch die Menschen zu erreichen, die sich wenige bis gar keine Gedanken über den Antrieb ihres Autos machen, sondern einfach zuverlässig und kostengünstig von A nach B kommen wollen. Für diese Menschen gab es zum Beispiel den Ford Fiesta, den Ford, wie gesagt, ersatzlos gestrichen hat, als man wohl neidisch auf die Margen der Elektroautos von Tesla und Co geschaut hat.
So geht weitsichtige Unternehmensführung nicht. So geht verantwortlicher Umgang mit der Zukunft der eigenen Beschäftigten nicht.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)
Seit Jahren vollzieht Ford einen schmerzhaften Personalabbau. Von 20.000 Beschäftigten im Jahr 2018 sind in Köln nur noch rund 11.500 übrig geblieben. Jetzt sollen weitere 2.900 Stellen wegfallen, viele davon in Köln. Ein solcher Einschnitt ist ein herber Schlag, und zwar nicht nur für die Betroffenen selbst, sondern auch für die gesamte Region, für ganz NRW und für das ganze Autoland Deutschland.
Ford trägt eine besondere Verantwortung als Teil des sozialen und wirtschaftlichen Gefüges Kölns. Wir erwarten vom Unternehmen, dass es seine Zusagen einhält. Es darf keine betriebsbedingten Kündigungen geben.
(Beifall von den GRÜNEN)
Wir als Politik stehen aber alle gemeinsam in der Verantwortung; das will ich nicht verhehlen. Die Transformation der Automobilbranche ist unausweichlich. Sie muss aber sozial verträglich gestaltet werden. Dazu gehören Umschulungs- und Weiterbildungsangebote. Es muss gelingen, Arbeitsplätze in neuen, zukunftsfähigen Bereichen zu schaffen und den Beschäftigten eine Perspektive zu geben. Auch der Ausbau der Ladeinfrastruktur muss weiter vorschreiten. Wenn wir als Politik Ambitionen und Entschlossenheit vermissen lassen, bremst das auch die Nachfrage nach Elektrofahrzeugen.
Unternehmen wie Ford brauchen aber auch klare und verlässliche Rahmenbedingungen, sei es bei der CO2-Reduktion, der Förderung von Elektromobilität oder der Unterstützung von Investitionen. Hier hat sich die FDP als Innovationsbremse und Investitionsbremse erwiesen. So bieten der Bruch der Ampelregierung und die vorgezogene Bundestagswahl auch die Chance, dort zeitnah für mehr Verlässlichkeit zu sorgen.
(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)
Dass die FDP das bis heute nicht verstanden hat, hat Herr Höne mit seiner Rede hier wieder eindrucksvoll gezeigt. Sie haben nichts verstanden, rein gar nichts.
(Beifall von den GRÜNEN)
Sie reden über „einsteigen“ und „aussteigen“. Vielleicht sollten Sie wieder in eine Sachdebatte einsteigen und nicht aus Angst, komplett in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden, immer weiter daraus aussteigen.
Die Automobilbranche in Deutschland steht aber auch vor einer doppelten Herausforderung: einerseits der technologische Wandel hin zur Elektromobilität, andererseits der globale Wettbewerbsdruck, nicht zuletzt aus den USA und aus China. Der Inflation Reduction Act in den USA zeigt, wie gezielte Förderpolitik helfen kann, Produktionsstandorte zu sichern. Nicht nur NRW oder Deutschland haben da Nachholbedarfe; Europa hat da aktuell einen akuten Standortnachteil.
Auch der Landesregierung kommt dabei eine zentrale Rolle zu. Sowohl Wirtschaftsministerin Mona Neubaur als auch Ministerpräsident Hendrik Wüst begleiten die Entwicklung bei Ford sehr eng und stehen im Austausch mit Betriebsrat und Unternehmensführung.
Gleichzeitig sind beide sowohl in NRW als auch gemeinsam mit allen industriell geprägten Bundesländern gegenüber dem Bund dafür aktiv, die Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie zu erhalten bzw. wieder zu verbessern.
Es geht bei der Transformation der Automobilbranche auch um die Zukunftsfähigkeit unseres Industriestandorts. Es geht darum, sichere und gute Arbeitsplätze zu erhalten und der ganzen Welt zu zeigen: Es ist möglich, erfolgreich zu wirtschaften und gleichzeitig unser Klima, unseren Planeten und unsere Freiheit zu schützen. Zwischen Ökonomie und Ökologie gehört kein „oder“.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ich komme zum Schluss. Ford hat in Köln eine lange Geschichte. Diese Geschichte darf nicht mit Entlassungen und einem schleichenden Rückzug aus NRW enden. Wir stehen in der Verantwortung, diesen Prozess aktiv zu gestalten – gemeinsam mit dem Unternehmen, den Beschäftigten und der gesamten Branche.
Wir freuen uns auf die weitere Debatte zum Antrag der SPD-Fraktion in den zuständigen Ausschüssen. Der Überweisung stimmen wir gerne zu. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)
Foto: Anna-Lisa Konrad
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