Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ganz viel von dem, was heute zu Demokratieabbau und Genehmigungsbeschleunigung gesagt wurde, ist absolut richtig.
Wer im Gespräch mit Industrie, Mittelstand und Gewerkschaften ist, bekommt neben Energiepreisen und Fachkräftemangel überbordende Bürokratie als zentralen Bremsklotz für die wirtschaftliche Entwicklung in diesem Land genannt.
In der Analyse des Problems besteht weitgehend Einigkeit, sowohl innerhalb der demokratischen Parteien als auch erst recht in der Wirtschaft und der Bevölkerung. Gerade deswegen taugt dieses Thema nicht als Skandalisierungsspirale.
Verehrter Kollege Brockes, als Ministerin Neubaur in der vergangenen Sitzung des Wirtschaftsausschusses sehr konkret auf Verfahrensbeschleunigung eingegangen ist und Beispiele genannt hat, wo Verfahren durch gezielte Verfahrensvereinfachung, vor allem durch Digitalisierung, beschleunigt wurden – um 12 Monate, um 18 Monate –, haben Sie wieder nur gebetsmühlenartig wiederholt, dass Ihnen das alles nicht konkret genug sei. Aber konkreter geht es doch nicht. Wir müssen uns daran messen lassen, ob Verfahren beschleunigt wurden, sodass der Aufwand für diejenigen, deren Investitionen in die Zukunft wir so dringend brauchen, geringer geworden ist, und gleichzeitig die Standards, die wir gemeinsam als Politik, als Verantwortungsgemeinschaft für die Zukunft auf diesem Planeten, definiert haben, aufrechterhalten werden.
Denn das möchte ich auch ganz deutlich sagen: Klimaschutz, Naturschutz und Artenschutz dürfen hier nicht gegeneinander ausgespielt werden, sondern müssen zusammen gedacht werden. Es gibt viele richtige Werkzeuge, um Bürokratieabbau anzugehen. Die Absenkung von Umweltstandards gehört nicht dazu.
Kollege Brockes, in Ihrem Antrag haben Sie eine Vielzahl von Maßnahmen, ein Sammelsurium von Einzelmaßnahmen, aufgeführt. Vieles taugt in meinen Augen nicht. Und: Quantität hilft hier nicht weiter. Vielmehr brauchen wir Maßnahmen, die gut aufeinander abgestimmt sind.
Ein Beispiel: Ein ganz zentrales Werkzeug bei der Entbürokratisierung ist die Digitalisierung. Das wusste bereits Andreas Pinkwart, das weiß Mona Neubaur, und das weiß auch Ministerpräsident Hendrik Wüst. Aber: Bei Werkzeugen kommt es eben nicht nur auf das theoretische Wissen an, sondern auf die richtige Anwendung. Wer einen Schraubenzieher und eine Schraube zur Hand hat, aber zur Befestigung an der Wand kräftig mit dem Schraubenzieher auf die Schraube schlägt, wird trotz des richtigen Werkzeugs scheitern.
(Beifall von den GRÜNEN)
So ist es eben auch bei der Digitalisierung – gerade bei der Digitalisierung als Baustein zum Bürokratieabbau. Die Bausteine müssen ineinandergreifen und kompatibel sein. Doch gerade an dieser Stelle ist Andreas Pinkwart trotz aller Entfesselungspakete gescheitert. Andreas Pinkwart hat mit dem Schraubenzieher auf die Schraube geschlagen und sich gefragt, warum die Schraube nicht in der Wand landet. Wer bei der Digitalisierung nicht an Prozessoptimierung, an Schnittstellen und an offene oder zumindest kompatible Daten denkt, der schafft keine Entlastung, sondern digitalisiert bürokratische Hürden, statt sie zu beseitigen.
Liebe FDP-Fraktion, lieber Kollege Brockes, mit diesem Antrag versuchen Sie weiterhin, Schrauben in die Wand zu schlagen. Ich möchte Ihnen ein Beispiel nennen. Ich habe hier bereits das Thema „Schnittstellen“ angesprochen, das Sie auch in Ihrem Antrag adressieren. Sie wollen, dass das Land den Standard für Schnittstellen festlegt. Was für ein Quatsch! Wirtschaftliche Prozesse und Verfahren enden doch nicht an Landesgrenzen. Hier muss mindestens ein bundesweiter Standard gelten, um wirksam zu entlasten und Prozesse zu verkürzen. Die Länder haben mit der gemeinsamen Cloud-Strategie bereits gezeigt, dass sie willens sind, auf gemeinsame Standards zu setzen. Vielleicht haben Sie auch eine Idee, ob es vielleicht einen für digitale Infrastruktur zuständigen Bundesminister gibt, den man hierzu mal ansprechen könnte.
Diese Landesregierung hat beim Bürokratieabbau einen guten Start hingelegt. Sorgen wir als Parlament und als zuständiger Ausschuss dafür, diesen Prozess weiterhin mit guten Ideen nicht nur zu begleiten, sondern auch voranzutreiben! In diesem Sinne freue ich mich auf die weitere Beratung im Ausschuss. Der Überweisung stimmen wir zu.
(Beifall von den GRÜNEN)
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