Plenarrede: Ohne bezahlbare Energie ist alles nichts. Der Ausbau der Erneuerbaren muss weiter beschleunigt werden.

Jan Matzoll (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Zuge der Beratungen über den Haushalt ist schon sehr viel über die Energiekrise sowie über die in diesem Kontext entstandene Wirtschaftskrise und ihre Folgen auf öffentliche Haushalte und natürlich insbesondere auf den Landeshaushalt gesprochen worden.

Nun steht also der Einzelplan 14 im Fokus, der sich mit dem Themenkomplex „Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie“ beschäftigt. In diesem Einzelplan muss in Zeiten knapper Mittel, wie in fast allen anderen Einzelplänen auch, gezielt priorisiert werden.

Dieser Einzelplan muss aber einen besonderen Spagat leisten: Er ist ein Sparhaushalt

(Dietmar Brockes [FDP]: Nein!)

– ja, Herr Brockes – als Folge der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Gleichzeitig kommt ihm aber auch ein nicht unwesentlicher Teil der Verantwortung zu, genau diese Rahmenbedingungen in Zeiten einer notwendigen Transformation wieder zum Positiven zu verändern. Die Wirtschaftspolitik in unserem Land steht also vor der herausfordernden Aufgabe, mit weniger Mitteln mehr Impact zu erzielen.

Wie muss aktive Industriepolitik in der Transformation aussehen? Wie sollte das Verhältnis zwischen dem Markt und dem Staat als Regulator und Förderer ausgestaltet werden? Wie kann uns die Energiewende gelingen? Welche Hebel sind dafür entscheidend? – Ich glaube, trotz allem Dissens, der bei diesen Fragen besteht, sind wir uns als demokratische Fraktionen in diesem Hause sehr einig darüber, dass die erfolgreiche Transformation der Industrie und Wirtschaft in unserem Land ganz entscheidend dafür ist, ob uns die Trendwende in der Klimakrise gelingt und wir auch in Zukunft gut bezahlte, tarifgebundene und sichere Arbeitsplätze in NRW haben werden.

Die aktuellen Wirtschaftsdaten und auch die Gespräche mit Unternehmerinnen und Unternehmern in diesem Land machen derzeit alles andere als Mut. Schon vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu den 60 Milliarden Euro aus dem Klima- und Transformationsfonds war die Stimmung verhalten bis schlecht. Mit der Ungewissheit darüber, wie zentrale Elemente zukunftsweisender Klima-, Energie- und Wirtschaftspolitik zu finanzieren sind, hat sich die Lage weiter dramatisch verschlechtert.

Viele Unternehmen, die selbstbewusst den Weg zur Klimaneutralität, den Weg zur Kreislaufwirtschaft beschreiten wollen, halten sich mit Investitionen zurück oder investieren außerhalb NRWs, außerhalb Deutschlands und oftmals auch außerhalb Europas. Die Zukunft unserer Industrie, der Wohlstand unseres Landes stehen auf dem Spiel. Die Zukunft unseres Mittelstandes steht auf dem Spiel, der anders als Weltkonzerne nicht einfach entscheiden kann, statt in NRW in China zu investieren, der nicht einfach dahin gehen kann, wo die Rahmenbedingungen besonders günstig sind.

Wir reden also nicht nur darüber, dass Arbeitsplätze und Wertschöpfung verlagert werden, sondern auch darüber, dass Arbeitsplätze, Wertschöpfung und einmaliges Know-how unwiederbringlich verloren gehen, wenn uns die Trendwende nicht gelingt.

Für diese Trendwende legt der Einzelplan 14 die Grundlage. Hier finden die richtigen Priorisierungen statt, die den Weg zu einer zukunftsfesten Energieversorgung und einer zukunftsfesten Wirtschaft stützen, denn – und da sind sich die demokratischen Fraktionen einig – für eine zukunftsfähige, wettbewerbsfähige Industrieregion müssen wir in die Transformation hin zur Klimaneutralität und in die Energiewende investieren. Das gilt auch im Zeichen knapper Kassen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Was leistet dieser Haushalt unter der Maßgabe, dass Zusatzanstrengungen in den Klimaschutz nicht am Status quo gemessen werden können, sondern nur an einer Welt, in der durch Nichtstun hohe Schäden entstehen und Klimaanpassungsmaßnahmen nur kostspieliger werden, wenn Klimaschutzmaßnahmen ausbleiben bzw. verschleppt werden?

Ein zentraler Faktor ist hier eine zielgerichtete Innovationspolitik. Die haushaltspolitischen Realitäten verringern den finanziellen Spielraum. Insofern steht hier ganz besonders die Frage im Raum, die ich am Anfang schon aufgeworfen habe: Wie erziele ich mehr Impact mit weniger Mitteln? Und: Wie schneide ich Mittel in der Innovationsförderung gezielt auf die Eigenheiten und Bedürfnisse des Landes Nordrhein-Westfalen zu?

Mit Förderlinien, die sich konsequent an unseren Zielen ausrichten und an der sowohl industriell als auch mittelständisch geprägten NRW-Wirtschaft orientieren, leistet die Landesregierung einen wichtigen Transformationsbeitrag, um Nordrhein-Westfalen als moderne, zukunftsorientierte Demonstrationsregion zu etablieren. Das geht nur im engen Austausch und unter Einbindung der Stakeholder.

Wichtig ist beispielsweise auch die Unterstützung von Innovationsregionen, etwa über das Netzwerk „it’s OWL“. Die Titelgruppe 60 zur Förderung von Mikroelektronik und Halbleitern ist ein gutes Beispiel dafür, Anreize für zukunftsgerichtete Investitionen zu setzen, einen Beitrag dazu zu leisten, dass Wertschöpfungsketten für wichtige Produkte für breite Teile der Wirtschaft in Europa aufgebaut und langfristig gesichert werden können. Das geschieht mit dem Ziel, Risiken zu verringern und krisenresilienter zu werden.

Nordrhein-Westfalen zeichnet sich aber bereits jetzt durch die Tiefe und die Breite der Wertschöpfungsketten vor Ort aus. Anders als andere Teile Deutschlands ist NRW gerade in der chemischen Industrie und verwandten und angeschlossenen Bereichen ein Land der kurzen Wege, der tiefen regionalen Wertschöpfung, der branchenübergreifenden Verbünde und Synergien.
Das macht uns einerseits stark und sichert Wettbewerbsfähigkeit in Zeiten, in denen andere Regionen bei Aspekten wie Energiepreisen und Planungsgeschwindigkeiten weit vor uns liegen. Andererseits drohen unkalkulierbare Dominoeffekte, wenn dieser Verbund ins Ungleichgewicht gerät.

Die zentralen Fragen lauten also: Wo gilt es, Verlagerung von Wertschöpfungsteilen zu verhindern, um diese Dominoeffekte zu vermeiden? Was sind die zentralen Grundpfeiler unserer Industrie und Wirtschaft, um diesen Verbund zu stärken und in ein neues Zeitalter zu führen?

Hier setzt die Landesregierung beispielsweise mit der Förderung von grünem Stahl in Duisburg klare Prioritäten für eine starke klimaneutrale Industrieregion. Damit der Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft gelingt, sind Leuchtturmprojekte notwendig, welche zugleich die Wasserstoffproduktion, -infrastruktur und -anwendung anreizen.

Die notwendige Stärkung der Wasserstoffwirtschaft gehen wir an. Mit der Titelgruppe 74 „Wasserstoff – Energieträger der Zukunft“ sowie der Titelgruppe 76 „Aufbau des Innovations- und Technologiezentrums Wasserstofftechnologie“ unterstützt die schwarz-grüne Zukunftskoalition mithilfe des Bundes den Aufbau der Wasserstoffwirtschaft über die gesamte Prozesskette. Mit dem Aufbau des Innovations- und Technologiezentrums Wasserstofftechnologie in Duisburg wird eine wissenschaftlich hochfundierte Expertise aufgebaut, die national und international ausstrahlt.
Klar ist aber auch: Der EU und dem Bund kommen aufgrund des immensen Umfangs der Herausforderungen und der hierfür notwendigen Finanzmittel entscheidende Bedeutung zu. NRW und seine besonderen Strukturen kennt aber niemand besser als die Menschen in NRW. Daher ist es mit Blick auf die spezifischen Rahmenbedingungen und die Wirtschaft so wichtig, dass das Land geeignete flankierende Maßnahmen ergreift und mithilft, dass möglichst viele der für Transformation zur Verfügung stehenden EU- und Bundesmittel zielgerichtet in NRW zum Einsatz kommen und von allen Unternehmen bestmöglich genutzt werden können.

NRW hat darüber hinaus eine hervorragende Wissenschaftslandschaft, eine forschungsstarke Wirtschaft. Damit haben wir hervorragende Ausgangsbedingungen, um die notwendigen Transformationsprozesse erfolgreich zu gestalten. Dieses Know-how von Wissenschaft und Wirtschaft kann mit den richtigen flankierenden Maßnahmen eine Innovations- und Investitionsdynamik auslösen, um eine gute Positionierung auf den nationalen und globalen Märkten zu erreichen.

Über die Förderung von „progres.nrw – Innovation“ beispielsweise als Teil der Titelgruppe 69 „Innovationen für das klimaneutrale Energie- und Wirtschaftssystem der Zukunft“ werden Vorhaben der industriellen Forschung bis hin zur Umsetzung von Pilotprojekten und Prototypen unterstützt. Dabei sollen vor allem über anwendungsorientierte Forschung und Entwicklung Prototypen und Pilotprojekte in den Bereichen „erneuerbare Energien“, „intelligente Netze“, „Wasserstoff“, „effiziente Speichertechnologien“ sowie „klimaneutrale Prozesse“ gefördert werden.

Im Bereich der Umsetzung der Energiewende ist zudem Titelgruppe 66 „Transformation und Ausbau der Nah- und Fernwärme in NRW“ positiv hervorzuheben sowie der damit verbundene Posten für Energiespeicher, Titelgruppe 67, welcher vorsieht, dass neben Batteriespeichern auch Systeme auf Basis von Power-to-Heat und Power-to-Gas gefördert werden sollen.

Dabei ist nicht nur Bezug zu nehmen auf die Ausweitung von Fern- und Nahwärme, sondern es geht mit Blick auf den Ausstieg aus der Kohleverstromung und damit aus den Kohle-KWK-Anlagen sowie die Zielsetzung der Treibhausgasneutralität insbesondere auch um die Frage, wie Wärme klimaverträglich erzeugt und in die Netze eingespeist werden und die Versorgung sichern kann.

Kommen wir zum Abschluss zu einem Resümee: In Anbetracht der Vielfalt der heutigen Krisen kann ein Haushaltsplan für die Bereiche „Wirtschaft“, „Industrie“, „Klimaschutz“ und „Energie“ wahrscheinlich nie allen den Eindruck vermitteln, dass genug getan wird. Dafür sind die Herausforderungen, die Transformationserfordernisse, die Investitionserfordernisse zu groß. Was dem Einzelplan 14 aber trotz der Haushaltslage, trotz der Hiobsbotschaften aus Berlin und aus der Wirtschaft – wie gerade die Schließung deutscher Michelin-Standorte – gelingt, ist eine klare Priorisierung auf nachhaltige, klimaneutrale Innovation,

(Beifall von Tim Achtermeyer [GRÜNE])

auf Kreislaufwirtschaft und auf das Gelingen der Energiewende auf allen Ebenen, vom Ausbau der Windenergie über Speicher und kommunale Wärmenetze bis hin zum Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft.

Machen wir uns nichts vor: Ohne bezahlbare Energie ist alles nichts. Der Ausbau der Erneuerbaren muss weiter beschleunigt werden. Sonst hat energieintensive Industrie in NRW keine Zukunft. Hier hat die schwarz-grüne Landesregierung eine viel beachtete Trendwende hingelegt.

Die Richtung stimmt also, und die Priorisierungen stimmen. Wir stimmen dem vorliegenden Entwurf für den Einzelplan 14 aus voller Überzeugung zu und freuen uns auf weiterhin konstruktive, an den Interessen des Landes orientierte Debatten über Energie und Wirtschaftspolitik hier im Plenum und im Ausschuss mit unseren demokratischen Kolleginnen und Kollegen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Verheiratet, zwei Kinder. Grüner und Ruhri aus Leidenschaft. Politische Schwerpunkte Industrie und Klimaschutz. Im Sauerland aufgewachsen, im Ruhrgebiet zuhause. Star Wars- und Spiele-Nerd. Seit dem 14. Lebensjahr politisch aktiv und seither für eine freie, offene und faire Welt unterwegs.

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