Plenarrede: „Diese Transformation erfordert von uns eine Geschwindigkeit und eine Prozessoptimierung“

Der Antrag „Für ein zukunftsfestes und klimaneutrales Nordrhein-Westfalen – Übermäßige Bürokratie konsequent abbauen, Wirtschaft entlasten, Wirtschaftsstandort stärken und Transformation beschleunigen“

Jan Matzoll (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Einen wunderschönen guten Morgen! Wir leben in einer Zeit großer Herausforderungen. Auf die Coronapandemie folgten der brutale Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, als Folge dessen die Energiekrise und damit einhergehend die gegenwärtige konjunkturelle Schwächephase. Am 7. Oktober 2023 gab es dann das brutale Massaker, den brutalen Massenmord durch die Hamas in Israel.

Gleichzeitig haben diese akuten Krisen, diese akuten Grausamkeiten nichts an den großen, generationenübergreifenden Krisen und Herausforderungen geändert. Die Klimakrise und die Biodiversitätskrise beschäftigen uns weiterhin bzw. spitzen sich sogar dramatisch zu.

Außerdem leben wir in einer Zeit großer Veränderungen, eines großen Um- und Aufbruchs bezüglich der Art und Weise, wie wir wirtschaften, wie wir produzieren und – Stichwort „Kreislaufwirtschaft“ – wie wir gebrauchen statt verbrauchen.

Diese Veränderung, diese Transformation erfordert von uns eine Geschwindigkeit und eine Prozessoptimierung, wie wir sie bisher – das muss man ganz ehrlich sagen – im staatlichen Handeln nicht kannten. Hier müssen wir an die strukturellen Probleme heran; diese gilt es zu beheben. Neben dem Fachkräftemangel sind das vor allem Bürokratie und fehlende Digitalisierung.

An dieser Stelle setzen wir mit unserem Antrag an, in dem es um Bürokratieabbau und Digitalisierung geht. Denn unnötige Bürokratie kostet Geld, hemmt ökologische Transformation und bremst die Wirtschaft. Was ich bereits gesagt habe, als wir hier im Herbst über einen Antrag des Kollegen Brockes von der FDP-Fraktion gesprochen haben, ist auch heute noch richtig: In den Gesprächen mit Industrie, Mittelstand und Gewerkschaften bekommen wir neben den Energiepreisen und dem Fachkräftemangel die überbordende Bürokratie als zentralen Bremsklotz für die wirtschaftliche Entwicklung in diesem Land genannt.

Seitdem ist mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klima- und Transformationsfonds des Bundes ein weiterer Unsicherheitsfaktor dazugekommen, der durch den Haushaltskompromiss auf Bundesebene immerhin zum Teil geklärt werden konnte.

Warum also jetzt dieser Antrag, wenn es seitens der Opposition bereits Aufschläge in diesem Themenbereich gab, die fraglos wichtige und richtige Aspekte beinhalten? Ich möchte hier vor allem drei zentrale Aspekte ansprechen.

Erstens. Bürokratieabbau ist nicht einfach nur politische Haltung. Bürokratieabbau ist in erster Linie große Handwerkskunst. Denn seien wir mal ehrlich: Die ehemalige schwarz-gelbe Landesregierung hatte sich das Thema „Bürokratieabbau“ auch schon auf die Fahnen geschrieben und mit ihren Entfesselungspaketen zahlreiche Veränderungen auf den Weg gebracht.

(Dietmar Brockes [FDP]: Und leider nicht fortgesetzt!)

Trotzdem stehen wir heute bei den Themen „Bürokratieabbau“ und „Planungsbeschleunigung“ noch nicht dort, wo wir hinwollen.

Denn es geht – bei allem Verständnis für diese Entfesselungsrhetorik und bei aller Zustimmung zu den Zielen – um mehr als um Entfesselung. Es geht um pragmatische Prozesse in unseren Behörden und um die Frage, welche Prozesse wir heute wieder so einrichten würden, wenn es sie nicht schon gäbe. Diese Überzeugung wird im Wirtschaftsministerium, wird in der Landesregierung bereits gelebt.

(Dietmar Brockes [FDP]: Wo denn?)

Dafür bin ich Mona Neubaur und insbesondere allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die diese Veränderungen mit Leben füllen, sehr dankbar.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

Diese Expertise der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben wir in unserem Antrag explizit in den Mittelpunkt gestellt. Bürokratieabbau geht nur gemeinsam mit denen, die es im Alltag konkret umzusetzen haben, und nicht gegen sie.

Wir sorgen zusammen mit den Akteuren dafür, bestehende Regelungen immer wieder auf ihre Alltagstauglichkeit zu überprüfen und da, wo notwendig, Bürokratie abzubauen.

Das führt mich zum zweiten Aspekt: Digitalisierung. Digitalisierung ist mehr als ein fancy Schlagwort auf Schwarz-Weiß-Plakaten. Digitalisierung verändert die Art und Weise, wie staatliche Stellen agieren, von Grund auf. Deswegen ist es so wichtig, zu verstehen, was Digitalisierung eigentlich bedeutet, was Medienbruchfreiheit bedeutet, was es bedeutet, notwendige Datenweitergabe zu ermöglichen und zu automatisieren. Auch das adressiert unser Antrag.

Drittens. Bürokratieabbau und Planungsbeschleunigung dürfen nicht zum Abbau von Umwelt-, Natur- und Verbraucherschutzstandards führen. Dieser wichtige Aspekt, der aufgrund der Vielfältigkeit der Krisen ganz entscheidend ist, fehlte bisher in Oppositionsanträgen, die diesen Themenkomplex adressierten. Wir stellen auch diesen Aspekt sicher und zeigen ganz deutlich:

Planungsbeschleunigung, der Kampf gegen die Klimakrise sowie der Kampf gegen die Biodiversitätskrise können Hand in Hand gehen. Sie müssen es sogar – sowohl aus ökologischer Verantwortung als auch zur Sicherung von Akzeptanz.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Ich freue mich, mit Ihnen im kommenden Jahr im Ausschuss weiter konstruktiv über Bürokratieabbau und Planungsbeschleunigung zu sprechen. Doch bevor es wieder um Beschleunigung geht, steht erst einmal die Entschleunigung an. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und Ihren Liebsten frohe Weihnachten und eine schöne Auszeit.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Verheiratet, zwei Kinder. Grüner und Ruhri aus Leidenschaft. Politische Schwerpunkte Industrie und Klimaschutz. Im Sauerland aufgewachsen, im Ruhrgebiet zuhause. Star Wars- und Spiele-Nerd. Seit dem 14. Lebensjahr politisch aktiv und seither für eine freie, offene und faire Welt unterwegs.

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