Rede zum Wirtschaftsstandort NRW


Jan Matzoll (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kurz zu der Rede von Herrn Stinka, bevor ich auf den FDP-Antrag eingehe:

(Zuruf von der SPD: War doch gut!)

Wir haben die größte Einzelförderung in der Geschichte des Landes NRW für die Stahlindustrie geleistet. Das hat die SPD in ihrer Regierungsverantwortung nicht geschafft.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wenn sich hier jemand ernsthaft und nachhaltig mit dem Stahlstandort Nordrhein-Westfalen auseinandersetzt, dann sind wir das.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich durfte inzwischen bereits zu einigen wirtschaftspolitischen Anträgen der FDP-Fraktion sprechen, aber dieser hier – das kann man getrost sagen – ist etwas ganz Besonderes. Dieser Antrag ist ein inhaltlich vollkommen unzusammenhängendes Sammelsurium von Maßnahmen, die zum Teil bereits in der Umsetzung sind, zum Teil völlig realitätsfremd sind und zum anderen Teil schlicht und ergreifend gänzlich einem anderen Verständnis von aktiver Wirtschaftspolitik entspringen.
In Anbetracht der bereits hitzigen Debatte und des Wunsches, nicht die komplette Redezeit auszuschöpfen, möchte ich nur auf einige wenige Punkte konkret eingehen.
Stichwort „realitätsfremd“: Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, ein flächendeckendes Glasfasernetz bis 2030 zu realisieren. Das hat der für den Infrastrukturausbau zuständige Minister Volker Wissing – zur Erinnerung: Mitglied der FDP – mit beschlossen. Das hat die FDP auf Bundesebene vollkommen zu Recht als wichtigen Meilenstein gefeiert. Das haben wir übrigens auch getan, also haben wir hier eigentlich gar keinen Dissens in den Zielen.
Nun fordern Sie aber, dass dieses Ziel bereits 2025 erreicht werden soll.

(Zuruf von der SPD)

Wie soll das denn bitte funktionieren? Fragen Sie auch gern mal Ihre Kolleginnen und Kollegen in Berlin, ob das funktioniert.
Wir als schwarz-grüne Zukunftskoalition haben vereinbart, den Ausbau von schnellem Internet mit Glasfaser und 5G voranzubringen, den marktwirtschaftlichen Ausbau zu erleichtern und die Finanzierung des geförderten Ausbaus sicherzustellen. Wir verfolgen das ambitionierte Ziel, im Laufe des Jahrzehnts ein flächendeckendes Glasfasernetz und ein flächendeckendes 5G-Netz zu erreichen. Und wir gehen beim 5G-Ausbau gezielt auch die Bereiche an, die bisher besonders problematisch in der Umsetzung waren.
Nachdem ein FDP-geführtes Ministerium fünf Jahre in diesem Bereich die eigenen Ziele krachend verfehlt hat, erwarten Sie jetzt, dass die Landesregierung unrealistische Ziele formuliert. Das ist mit uns nicht zu machen. Es geht hier nicht um einen Überbietungswettbewerb mit Jahreszahlen, sondern um konkret umsetzbare Ziele.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Die aktuelle wirtschaftliche Situation erfordert Pragmatismus. Die aktuelle Situation erfordert Lösungen, die im Dialog mit allen relevanten Stakeholdern erarbeitet werden und über eine Wahlperiode hinaus Bestand haben, um uns resilient durch diese Krise zu führen.

Zweites Stichwort: Die von Ihnen geforderten Ziele werden bereits umgesetzt. Sie schreiben in Ihrem Antrag:
„Der Landtag beauftragt die Landesregierung, sich für eine zügige Ausweitung eines günstigen und klimafreundlichen Energieangebots in Nordrhein-Westfalen einzusetzen und hierbei neben Wind- und Solarenergie die ganze Bandbreite Erneuerbarer Energien von Wasserkraft, Biomasse, Geothermie, Wärme aus Ab- und Grubenwässern gleichermaßen zu nutzen sowie eine zuverlässige Energieversorgung durch ausreichend gesicherte Leistungen und Netzkapazitäten zu gewährleisten.“

Schauen Sie sich doch bitte mal den Entwurf für den neuen Landesentwicklungsplan an. Schauen Sie sich die Änderungen der Landesbauordnung an, unseren Pakt zum Ausbau der Windenergie. Endlich kommt NRW beim Ausbau der Erneuerbaren voran. Das zeigen die Zahlen schon jetzt, und das wird sich durch die angesprochenen Initiativen dieser Landesregierung weiter steigern.
Auch über Wind- und Solarenergie hinaus sind wir aktiv. Unser Antrag zur Geothermie widmet sich diesem so zentralen, aber auch komplexen Thema mit der dafür notwendigen Tiefe. Auch beim Thema „Netzausbau“, beim Thema „Speicher“, beim Thema „Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft“ ist mit der Zukunftskoalition endlich Tempo in die Entwicklung gekommen.

Ich komme nun zu einem Aspekt, bei dem die wirtschaftspolitischen Vorstellungen der Zukunftskoalition und diejenigen der FDP-Fraktion weit auseinanderliegen. Sie schreiben:
„Der Landtag beauftragt die Landesregierung, auf die Erhebung zweckgebundener oder nicht zweckgebundener Rohstoffabgaben zu verzichten.“
Am Freitag werden wir das Thema noch einmal ausführlicher beraten, aber einen Aspekt möchte ich dazu bereits heute mit Ihnen teilen. Wir leben in einer Zeit multipler und komplexer Krisen. Die Transformation der Industrie, die Transformation unseres Energiesystems endet doch nicht bei der Umstellung auf erneuerbare Energien. Das Fördern zirkulärer Wertschöpfungsketten und die Entfesselung der Kreislaufwirtschaft sind zentrale Bedingungen für das Erreichen unserer Klimaziele. Hier finanzielle Anreize zu schaffen, die zirkulären Potenziale für NRW zu heben, ist kein Hemmnis, sondern eine Chance und ein Innovationsbeschleuniger für den Wirtschaftsstandort NRW.

Es wird Sie nicht überraschen: Wir lehnen den vorliegenden Antrag ab. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Verheiratet, zwei Kinder. Grüner und Ruhri aus Leidenschaft. Politische Schwerpunkte Industrie und Klimaschutz. Im Sauerland aufgewachsen, im Ruhrgebiet zuhause. Star Wars- und Spiele-Nerd. Seit dem 14. Lebensjahr politisch aktiv und seither für eine freie, offene und faire Welt unterwegs.

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