Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir stehen wirtschaftspolitisch vor ganz entscheidenden Weichenstellungen. Entscheidungen, die wir heute treffen, werden langfristige Folgen haben für die Zukunft der Industrie in unserem Land, für die Entfaltungsmöglichkeiten unserer Kinder und Enkelkinder, für die Lebenswirklichkeit der Menschen in unserem Land, für gleichwertige Lebensverhältnisse und ganz entscheidend dafür, wie sich das Klima entwickelt.
Wir leben also in Zeiten, in denen ein klarer Kurs gefragt ist.
Wir leben in Zeiten, in denen wir uns keine kurzsichtige Politik mehr leisten können, sondern unser Verständnis von Freiheit und Wohlstand weiten und zukünftige Generationen bei all unserem Handeln berücksichtigen müssen.
Wir leben in einer Zeit, in der wir eine klare Vorstellung der Zukunft haben müssen, um Politik im Hier und Jetzt gestalten zu können.
Gleichwohl ist es notwendig – damit komme ich konkret auf unseren Antrag zu sprechen –, pragmatisch und angepasst angesichts der konkreten Krisenlage unserer Zeit zu agieren und zu reagieren.
In einem vergangenen Bundestagswahlkampf haben wir Grüne plakatiert: „ZWISCHEN UMWELT UND WIRTSCHAFT GEHÖRT KEIN ODER.“ sowie: „OHNE UMWELT IST ALLES NICHTS.“. Konsequent weitergedacht heißt das auch: Ohne die klimaneutrale Transformation der Industrie ist alles nichts. Das heißt ganz konkret in dieser Zeit der Rezession und der Standortentscheidungen gegen Nordrhein-Westfalen und gegen Deutschland: Ohne den Fortbestand der Industrie in unserem Land, ohne das Wiedererstarken des Wirtschaftsstandortes Nordrhein-Westfalen ist alles nichts.
Ohne eine starke Industrie in unserem Land, die beweist, dass klimaneutrales Wirtschaften ökonomisch erfolgreich ist, ohne eine starke Industrie in unserem Land, die beweist, dass zirkuläres Wirtschaften, der effiziente Einsatz von Rohstoffen sowie das Konzipieren langlebiger und reparierbarer Produkte ökonomisch erfolgreich sind, wird unsere Klimaschutzpolitik nicht erfolgreich sein.
Kurz gesagt: Unsere Hauptaufgabe ist es, einen angemessenen Ausgleich zwischen Ökonomie und Ökologie sowie Ambition und Akzeptanz durch soziale Sicherheit zu schaffen. Darum geht es.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Deshalb sind die Forderungen in unserem Antrag so wichtig.
Der Brückenstrompreis für energieintensive Betriebe ist kein Selbstzweck. Ein Brückenstrompreis ist nicht einfach nur irgendeine Subvention, die man als Wirtschaftsliberaler oder als selbsternannter Klimakanzler aus ideologischen Gründen ablehnen sollte. Der Brückenstrompreis ist genau das, was der Name in Abgrenzung zum Begriff „Industriestrompreis“ aussagt. Er ist eine Brücke. Eine Brücke ist dann notwendig, wenn etwas zu überbrücken ist, wenn etwas zu überqueren ist, was ohne diese Brücke nicht oder nur mit weitaus größerem Aufwand zu erreichen ist.
Dass wir diese Brücke brauchen, ist ja nicht vom Himmel gefallen, sondern die Folge politischer Fehlentscheidungen und Fehleinschätzungen. Wenn wir uns nicht einseitig vom Gas eines Diktators abhängig gemacht hätten und in eine Zeit der energie- und geopolitischen Trägheit eingetreten wären, hätten wir heute nicht diese Wirtschaftlichkeitslücke, dann hätten wir heute nicht diesen enormen Zeitdruck beim Ausbau der Erneuerbaren und beim Um- und Ausbau unseres Stromnetzes.
(Beifall von den GRÜNEN)
Aber ich will nicht über vergossene Milch jammern und auch keine Vergangenheitsbewältigung betreiben, sondern deutlich machen, welche Verantwortung hier auf uns allen lastet, die richtigen Konsequenzen aus den Fehlern der Vergangenheit zu ziehen.
Es war ein SPD-Kanzler, der in einer Koalition mit uns Grünen die fatale energie- und wirtschaftspolitische Fehlentscheidung getroffen hat. Liebe SPD-Fraktion im Landtag NRW, ich möchte nicht, dass ein SPD-Kanzler – erneut in einer Koalition mit den Grünen, dieses Mal ergänzt durch die FDP – ein weiteres Mal eine fatale und folgenreiche energie- und wirtschaftspolitische Fehlentscheidung trifft. Liebe SPD-Fraktion, wenn ich Ihre Aussagen in den letzten Monaten hier im Plenum richtig deute, dann wollen Sie das doch auch nicht.
(Beifall von den GRÜNEN und Björn Franken [CDU])
Ein vergünstigter Strompreis für die Industrie oder auch die Absenkung der Stromsteuer sind gewiss keine grünen Wohlfühlforderungen, sondern zeigen klar auf, dass wir als Grüne bereit sind, in einer nicht nur wirtschaftlich herausfordernden Zeit gemeinsam mit der CDU Verantwortung zu tragen und notwendige Entscheidungen nicht bloß mitzutragen, sondern aktiv und mit Überzeugung voranzutreiben.
Das gilt auch für den Abbau unnötiger Bürokratie. Das gilt für Planungsbeschleunigung. Das gilt für die Entlastung der Wirtschaft und aller anderen, die durch ineffiziente Bürokratie ausgebremst werden und sehnsüchtig auf konsequente Digitalisierung, Standardisierung und Automatisierung warten.
Setzen wir heute gemeinsam als demokratische Fraktionen ein deutliches Zeichen für die Wirtschaft, ein deutliches Zeichen für die Industrie und ein deutliches Zeichen für den Bundeskanzler. Deshalb möchte ich ganz speziell Sie, liebe SPD, auffordern: Stimmen Sie dem Antrag zu, NRW zuliebe. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)
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