Jan Matzoll (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unser Ziel ist es, Nordrhein-Westfalen zur ersten klimaneutralen Industrieregion Europas zu entwickeln und gleichzeitig einen wichtigen Beitrag zu leisten, damit unser Land zu einem der innovativsten, nachhaltigsten und wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsstandorte in Europa wird.
Die Transformation unserer linearen Wirtschaft, unserer linearen Wegwerfgesellschaft hin zur Kreislaufwirtschaft, zur Circular Economy und zur Circular Society ist dafür absolut elementar. Die Kunststoffindustrie spielt eine ganz entscheidende Rolle in diesem Wandel. Nordrhein-Westfalen ist mit über 134.000 Beschäftigten, über 1.000 Betrieben und einem Jahresumsatz von 34 Milliarden Euro das Kunststoffland Nummer eins in Deutschland und in Europa.
Doch gleichzeitig stehen wir vor großen Herausforderungen im Bereich des Kunststoffrecyclings. Obwohl Kunststoffe nach ihrem ersten Leben zu 99,4 % verwertet werden, wird weniger als die Hälfte werk- und rohstofflich genutzt. Der Anteil an Kunststoffen, der einfach verbrannt wird, ist noch immer riesig. Die Menge an Kunststoffabfällen wächst außerdem stetig. Manch einer sieht darin vielleicht nur den Müllberg und die Zumutung für die Umwelt und die Meere. Gar keine Frage: Auch das ist wichtig und Bestandteil unserer Überlegungen zur Kreislaufwirtschaft. Aber wenn ich höre, dass die Menge an Kunststoffabfällen steigt, sehe ich auch die Potenziale und dass wir als rohstoffarmes Land einen wichtigen Rohstoff für die Produkte von morgen besitzen. Der Rezyklatanteil liegt derzeit aber nur bei etwa 13 %.
Abfall ist ein Designfehler. – Was meint dieser für manche vielleicht immer noch provokante Satz? In einer Kreislaufwirtschaft sind die Produkte von heute sind die Rohstoffe von morgen – jedenfalls fast, denn natürlich geht es auch in der Kreislaufwirtschaft nicht ohne einen Wandel der Mentalität. Verbraucherinnen und Verbraucher werden zu Gebraucherinnen und Gebrauchern. Die Produkte von heute sind morgen also erst mal weiterhin Produkte, dann vielleicht irgendwann gebrauchte Produkte, die ich günstig bei Kleinanzeigen kaufe, dann vielleicht reparierte Produkte, und am irgendwann dann wohl doch unweigerlichen Ende ihres Lebens werden sie wieder zu Rohstoffen für die Produkte von morgen.
Kunststoffen kommt dabei eine besonders zentrale Rolle zu. Erstens sind Kunststoffe aufgrund ihrer flexiblen Eigenschaften und ihrer Leichtigkeit wichtig für den Weg zur Klimaneutralität. Zweitens werden Kunststoffe in der Regel aus Erdöl gewonnen, was gleich dreifach problematisch ist. Erdöl macht uns abhängig von Diktatoren. Erdöl ist eine endliche Ressource, die in der Medizin und in der Pharmazie noch nicht substituierbar ist. Natürlich wissen wir nicht, was die Zukunft bringt und welche Innovationen wir hervorbringen, aber eben deswegen wissen wir nicht, ob zukünftige Generationen leider auf Krebsmedikamente verzichten müssen, weil wir mit dem Verbrenner-SUV und mit dem Einwegbecher in der Hand zur Müllverbrennungsanlage gefahren sind.
Erdöl ist zudem eine fossile Rohstoffquelle. Halten wir Erdölprodukte nicht im Kreislauf, sondern verbrennen diese nach der Nutzung, blasen wir über viele Millionen Jahre gespeicherten Kohlenstoff in die Luft, in die Atmosphäre, und heizen den Klimawandel an.
Um diesen Herausforderungen zu begegnen und die Potenziale Nordrhein-Westfalens voll auszuschöpfen, schlagen wir die Initiierung einer Plattform für Kunststoffrecycling vor. Diese Plattform soll vorhandene Forschungs- und Industrieexpertise bündeln, konkrete Projekte anwendungsorientiert durchführen und somit Synergieeffekte schaffen. Sie soll dazu beitragen, die Weichen für die flächendeckende Umsetzung der Kreislaufwirtschaft in unserem Bundesland zu stellen.
Zudem beauftragen wir die Landesregierung, die Vorreiterrolle Nordrhein-Westfalens in der Kreislaufwirtschaft im Bereich der Kunststoffe auszubauen und ein Reallabor für chemisches Recycling zu schaffen. Denn um wirklich das volle Potenzial für Kunststoffrecycling zu heben, kommen wir am chemischen Recycling nicht vorbei, nicht als Ersatz für mechanisches Recycling, auch nicht als gleichwertige Ergänzung, sondern überall dort, wo mechanisches Recycling nicht möglich ist und die Alternative „Verbrennung“ heißt.
Es ist an der Zeit, das Nordrhein-Westfalen seine Potenziale für eine nachhaltige Zukunft nutzt und dabei eine Vorreiterrolle in der Kreislaufwirtschaft einnimmt. Lassen Sie uns gemeinsam diese Chance ergreifen und die Weichen für eine innovative, ressourcenschonende und nachhaltige Zukunft stellen. Ich freue mich über Ihre Zustimmung für unseren Antrag. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
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