Im Mai vergangenen Jahres bin ich zum ersten Mal Vater geworden. Während meine Freundin aktuell ihren Uni-Abschluss macht, ruht mein Studium. Hauptberuflich bin ich erstmal Hausmann und Papa. Da mein Abschluss als politisch aktiver „Bummelstudent“ noch in weiter Ferne liegt, haben wir uns gemeinsam dafür entschieden, dass zunächst meine Freundin ihr Studium beendet und danach „die Brötchen“ verdient. Ganz pragmatisch also. Und im 21. Jahrhundert ja eigentlich auch ganz normal. Ein subjektiver Blick auf alltäglichen Sexismus.
Doch so normal scheint das noch immer nicht zu sein. Es ist interessant zu beobachten, wie unterschiedlich die Reaktionen der Menschen sind, abhängig davon, ob meine Freundin mit unserem Sohn unterwegs ist oder ob ich mit ihm draußen bin. Ist meine Freundin mit Kinderwagen oder Tragehilfe/Tragetuch in der Stadt, gibt es bis auf gelegentliche „Ach, wie niedlich“-Kommentare keine Reaktionen. Ist ja auch normal, dass eine Mutter mit ihrem Kind spazieren geht. Ganz anders ist es jedoch, wenn ich mit Baby in der Stadt bin. Nach inzwischen über acht Monaten Erfahrung habe ich die Reaktionen in drei Kategorien unterteilt:
Kategorie 1: Der Typ braucht Ratschläge, wie man mit einem Baby umgeht.
Deutlich häufiger als meine Freundin werde ich angesprochen und mit Ratschlägen und besorgten Fragen bombardiert. Ist er denn wirklich warm genug angezogen? Bekommt das Baby denn überhaupt Luft im Tragetuch? Ist es nicht viel zu warm für eine Mütze? Sie müssen das Köpfchen besser abstützen! Falls er wach wird, haben Sie aber ein Fläschchen dabei, nicht wahr? Ich möchte das nicht überbewerten. Geht es um Babys, klingeln bei vielen Menschen die Alarmglocken und sie werden übertrieben fürsorglich und ängstlich. Aber ich habe schon den Eindruck, dass man mir aufgrund meines Geschlechts nicht zutraut, mich um meinen Sohn kümmern zu können. Diese Ratschläge und Fragen kommen übrigens nicht nur von Frauen. Auch Männer – in erster Linie jenseits der Sechszig – scheinen junge Väter für eine potentielle Kindeswohlgefährdung zu halten.
Kategorie 2: Ein Mann mit einem Baby? Wie schwul ist das denn?
Ja, tatsächlich. Schon mehrfach habe ich nun gehört, dass gerade jüngere Männer es als „schwul“ empfinden, wenn ein Mann mit seinem Kind im Tragetuch unterwegs ist. Natürlich ist hier mit dem Begriff „schwul“ nicht zwangsläufig homosexuell gemeint. Aber es ist schon auffällig, dass gerade immer wieder dieser Terminus fällt. Sein Kind zu betreuen ist unmännlich. So oder so ähnlich wird es offenbar von vielen männlichen Jugendlichen wahrgenommen. Leider war ich bisher immer zu feige, um diese Jungs, die im Vorbeigehen über mich lästerten, nach ihren Motiven zu fragen.
Kategorie 3: Er kümmert sich um das Baby! Er ist ein Held!
Am häufigsten erlebe ich es, dass mich Frauen ansprechen und mir erzählen, wie unfassbar toll es ist, dass ich mich um mein Kind kümmere. Ja, schön und gut. Aber wieso erzählt das nie jemand auf der Straße meiner Freundin? Ja klar, die Mutter MUSS sich ja um das Kind kümmern. Der Vater ist direkt ein Held, der seine wertvolle Zeit opfert. Das „schönste“ Erlebnis hatte ich vor einigen Wochen in der Bochumer Innenstadt. Eine ältere Frau sprach mich an: „Ich finde das toll, was Sie machen. Ich sage immer, auch Väter dürfen ihre Kinder lieben.“ Ein Satz, der in trauriger Einfachheit das Familienbild der frühen Bundesrepublik zusammenfasst. Und dieses Familienbild wirkt weiter stark in die Gegenwart. Denn es ist nicht so, dass nur ältere Menschen mich deswegen ansprechen. Auch Frauen in meinem Alter tun manchmal so, als wäre ich der einzige Mann, der Elternzeit nimmt oder eine Windel wechseln kann.
Aber ich kann es niemandem vorwerfen, so zu denken. Gerade im Bereich der Kindererziehung verfallen viele Menschen wieder in bereits überwunden geglaubte Geschlechterrollen. Wer da rausfällt, ist die positive oder eben negative Ausnahme. Auch das ist sexistische Normalität im 21. Jahrhundert.
Neuste Artikel
CSD Recklinghausen: Verhalten der Polizei „unverhältnismäßig und unsensibel“
Am Samstag fand der Recklinghäuser CSD zum ersten Mal am Löhrhof in der Stadtmitte statt. Zahlreiche Besucher*innen strömten bei herrlichem Sonnenschein in die Stadt. In bester Stimmung wurde ausgiebig gefeiert. Trotz der Feierlaune und reichlich genossenen Getränken gab es deutlich weniger Anlässe für medizinische Unterstützung seitens des Sanitätsdienstes der Reservisten der Bundeswehr. Der Kreisverband und…
Städtebauförderprogramm: Oer-Erkenschwick erhält 354.000 Euro
Die schwarz-grüne Landesregierung Nordrhein-Westfalen hat die Förderauswahl für die Projekte für das „Städtebauförderprogramm 2023“ bekanntgegeben. Die Stadt Oer-Erkenschwick erhält demnach Fördermittel in Höhe von 354.000 Euro für das Citymanagement sowie für Planungskosten für die Aufwertung des Stadtparks samt Spielplatz. Jan Matzoll (Grüne), Landtagsabgeordneter für Oer-Erkenschwick: „Mit der Städtebauförderung werden jedes Jahr Projekte finanziert, die die…
Städtebauförderprogramm: Recklinghausen erhält rund 4,6 Millionen Euro
Die schwarz-grüne Landesregierung Nordrhein-Westfalen hat die Förderauswahl für die Projekte für das „Städtebauförderprogramm 2023“ bekanntgegeben. Die Stadt Recklinghausen erhält für die Umgestaltung des Schulhofes der Otto-Burmeister-Realschule in Hillerheide Fördermittel in Höhe von 4.658.000 Euro. Die Gelder sollen für die Herstellung der Freiflächen im Teilbereich „südliche Landschaft“ und Herrichtung der Seegrube eingesetzt werden. Jan Matzoll (Grüne),…
Ähnliche Artikel