Über Glückwünsche, Mut und Mutlosigkeit

Gestern bin ich 30 Jahre alt geworden. An dieser Stelle möchte ich mich bei allen Menschen bedanken, die eine der vielfältigen Möglichkeiten genutzt haben, mir zum Geburtstag zu gratulieren! Ich habe mich sehr gefreut und hatte einen schönen Tag mit meiner Familie. Nach langem Überlegen hatte ich mich dagegen entschieden, diesen runden Geburtstag – der auch noch netterweise auf einen Samstag fiel – in großer Runde zu feiern. Es wäre eine schöne Gelegenheit gewesen, viele tolle Menschen wiederzusehen, die ich zum Teil seit der Hochzeit (oder sogar noch länger) nicht gesehen habe.

Aber nach einer großen Party war mir einfach nicht. Kaya und ich erwarten in etwa einem Monat unser zweites Kind. Neben der Tatsache, dass wir uns daher aktuell in einer hektischen und spannenden Zeit befinden, erscheint mein 30. Geburtstag nicht ganz so relevant. (Zugegeben: Wer mich in den letzten Wochen gesehen bzw. gehört hat, wird den Wahrheitsgehalt dieser Aussage eventuell etwas anzweifeln. Schließlich habe ich gefühlt minütlich gejammert, dass ich jetzt bald alt bin. So viel zur Irrelevanz.)

Aber zurück zu tatsächlich relevanten Themen: Die aktuelle politische Lage ist mehr als bedrückend (oder besser gesagt: zum Kotzen!) und motiviert nicht zum Feiern. Neben der bei mir aktuell wenig vorhandenen Freizeit ist das sicher der Hauptgrund, warum ich hier (oder an anderer Stelle) kaum noch schreibe. Ich fühle mich immer häufiger ideen- und mutlos der (welt)politischen Lage gegenüber. Sowohl die kommunalpolitische Realität bezüglich geflüchteter Menschen als auch die gesamtgesellschaftliche Situation lässt mich immer häufiger ratlos zurück. Wir erleben aktuell das vielleicht schlimmste Aufleben des Faschismus seit der Nazi-Zeit. Und mit dieser Aussage lässt sich traurigerweise nicht nur der „Islamische Staat“ charakterisieren, sondern auch die Situation in Deutschland. Gleichzeitig geht aber alles weiter, als sei nichts passiert. Das macht mir Angst. Angst vor einer Welt, in der materieller Wohlstand und der Status Quo wichtiger sind als Freiheit und Menschenrechte. Und vor einer Welt, in der tote Flüchtlinge erst dann wieder eine Meldung sind, wenn sie innerhalb der EU-Grenzen sterben (und ein Satire-Blog die journalistisch beste Analyse dazu liefert).

Aber gerade diese Woche hat mir auch Mut gemacht: Die Bürgerversammlung zum Thema Flüchtlingsunterkünfte am Donnerstag im Q1 im Westend war getragen von einem Geist der Hilfsbereitschaft und des Miteinanders. Das war großartig und hat mir persönlich für meine eigene Arbeit ganz viel Kraft gegeben. Das war ein großes Geschenk und dafür bedanke ich mich bei allen Anwesenden, die zu dieser Stimmung beigetragen haben! Ein noch größeres Dankeschön möchte ich aber an die richten, die (ob ehren- oder hauptamtlich) so viel tun, um geflüchteten Menschen zu helfen, diese für die meisten wohl unvorstellbare Situation zu meistern! Danke! Danke! Danke! Ihr seid großartig! Wirklich begeistert hat mich persönlich auch das Engagement der Kirchengemeinden in Bochum. Ich stehe dem Christentum – sicher auch aufgrund meiner eigenen Biografie – sehr kritisch und distanziert gegenüber. Aber ich war überwältigt, welche Hilfsbereitschaft und Nächstenliebe von vielen Gemeinden ausgeht. Das bestärkt mich und uns, dass es nicht völlig verrückt ist, zwei Kinder in dieser Welt (und gerade auch in Deutschland) aufwachsen zu lassen. Nochmal: Danke!

Verheiratet, zwei Kinder. Grüner und Ruhri aus Leidenschaft. Politische Schwerpunkte Industrie und Klimaschutz. Im Sauerland aufgewachsen, im Ruhrgebiet zuhause. Star Wars- und Spiele-Nerd. Seit dem 14. Lebensjahr politisch aktiv und seither für eine freie, offene und faire Welt unterwegs.

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